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Vom Verbandsligafußballer zum Profi – Zwei-Jahres-Vertrag bei den Stuttgarter Kickers

Von Giuseppe Torremante

Wangen/Stuttgart – Sieben Kilo Muskelmasse in neun Monaten zugelegt. Respekt. Selbst Arnold Schwarzenegger wäre begeistert. David Stojak tut alles, um in seinem Traumberuf Profifußballer Fuß zu fassen. Der 19-jährige Stürmer des Regionalligisten Stuttgarter Kickers muss mehr trainieren als seine Mitspieler. Der Grund: Während die meisten Fußballer im Kader des Spitzenreiters aus höherklassigen Teams kommen oder in der Jugend im NLZ (Nachwuchs-Leistungszentrum) ausgebildet wurden, kommt Stojak von unten und muss oben ankommen.

Wenn David Stojak chillen will, das heißt entspannen, dann fährt er von seinem Wohnort Stuttgart Ost mit der U-Bahn in die Stadtmitte. Auf der Königsstraße sucht er sich ein nettes Plätzchen auf einer Treppe, besorgt sich ein Getränk und schaut einfach dem bunten Treiben der Menschen zu. „Das klingt banal, aber ich erhole mich so am besten“, sagt der 19-Jährige. Diese Pause hat er sich verdient, weil der ehemalige Stürmer des heutigen Landesligisten FC Wangen hart arbeitet.

Während die meisten Spieler der Stuttgarter Kickers nach den täglichen Einheiten unter die Dusche gehen, stemmt der Stürmer im Kraftraum noch Gewichte. Wenn Trainer Mustafa Ünal seinen Profis einmal freigibt, dann fährt David Stojak nach Hause zu seinen Eltern Srecko und Danijela Stojak nach Heimenkirch. Dort angekommen schnappt er sich seine Sportklamotten und übt weiter auf dem Sportplatz. „Einen freien Tag unter Woche habe ich eigentlich selten. Ich bin immer in Bewegung, will immer besser werden“, betont er.

Es passiert auch mal, dass er in der Eile seine Tasche packt und erst während der Fahrt feststellt, dass er nur Arbeitskleidung dabeihat. Für David Stojak ist das kein Problem. Er muss nicht einkaufen gehen. Der Sohn stibitzt einfach dem Vater Hose, T-Shirt und Socken. Alles, was er braucht, ist im Kleiderschrank. Beide haben dieselbe Größe.

Der heute 19-Jährige wurde in Lindenberg geboren und spielte zunächst für den TSV Heimenkirch, dann folgte der Wechsel zum FC Memmingen. „Vier Jahre lang fuhren mich meine Eltern zum Training und zwar viermal die Woche (eine Strecke 45 Minuten). Dafür bin ich ihnen unheimlich dankbar“, meint Stojak. Und trotzdem hätte die Profikarriere des Stürmers ein abruptes Ende finden können. Vor vier Jahren setzte er nicht mehr auf Fußball. Er machte seinen Realschulabschluss und wollte bei der bayerischen Polizei arbeiten. Es klappte aber nicht und darüber war er am Ende froh. Trotzdem machte David Stojak sein Fachabitur. „Ich liebe Fußball seit meiner Kindheit. Dieser Sport ist für mich eine große Leidenschaft“, betont er.

In seinem ersten B-Jugendjahr wechselt er zum FC Wangen. Ein Jahr lang spielte er bei den Aktiven in der Verbandsliga und schoss dabei 14 Tore. Sein Berater Dirk Lips ließ ihn durch den Scout Torsten Chmielewski beobachten. Im Sommer 2023 unterschrieb er bei den Stuttgarter Kickers einen Zwei-Jahres-Vertrag. „Er muss bei uns ankommen. Das erste Jahr ist die Lernphase, danach erwarten wir von ihm schon mehr. Sicherlich ist es für ihn nicht einfach, da er aus der Verbandsliga kommt“, sagt Marc Stein, Sportlicher Leiter der Stuttgarter Kickers. Und was meint sein Trainer Mustafa Ünal über ihn? „David ist ein guter Junge, hat einen guten Charakter und ist sehr fleißig. Mir gefällt auch seine Bodenständigkeit. Er ist jung und muss sich entwickeln. Wir brauchen Geduld.“

Vielleicht kommt das Bodenständige bei David Stojak von seiner Beziehung zu seinen Eltern. Einmal am Tag telefoniert er mit ihnen, manchmal sogar öfters. Das Telefon – ein direkter Draht nach Hause. Im Video-Chat hat er innerhalb von neun Monaten kochen gelernt. Mit seiner Mutter Danijela bespricht er immer wieder neue Rezepte. „Ich kann mittlerweile viele Gerichte zubereiten“, sagt er,

nicht ohne Stolz. Von den Stuttgarter Kickers bekommt er so viel Geld, dass er davon leben kann. Aber die Dinge des Lebens, wie Wäsche waschen, kochen, aufräumen, Wohnung sauber halten, sich mit sich selber beschäftigen, das muss von einem selbst kommen. Durch den Wechsel zu den Stuttgarter Kickers ist David Stojak erwachsen geworden. Gut für ihn und gut für seinen Verein. Spieler, die Leistung bringen müssen, treffen auf dem Spielfeld Entscheidungen. Das ist so, wie im normalen Leben. Desto klarer der Verstand, desto besser das Auftreten mit dem runden Spielgerät. Das Chaos hat hier keinen Platz.

Übrigens: Sieben Mal wurde David Stojak in der Regionalliga bisher eingewechselt. Für den jüngsten Spieler im Kader ist das eine Belohnung für seine Arbeit. Das ist fast so, wie beim Chillen.