Seit 45 Jahren macht der fast 80-Jährige die Fußballer vor
dem Spiel fit
Von Giuseppe Torremante
Wangen – Im Dezember feiert Alois Weber seinen 80.
Geburtstag. Seit 1979 kümmert er sich vor dem Spiel um die kleinen Wehwehchen
der Fußballer. Behebt sie, wenn er kann, redet allen gut zu und hat immer einen
Witz auf Lager. Er hat einen eigenen, sympathischen Humor. Der ehemalige
Torwart des Allgäuer Traditionsvereins ist die gute Seele des FC Wangen, dem
man das Alter nicht ansieht. Im Gegenteil: „Wiese“ wie er genannt wird, ist
jung geblieben und das hat seinen Grund.
Manchmal erinnern die Worte von Alois Weber an einen
Anrufbeantworter. Immer wieder wiederholt er: „Nach dieser Saison ist Schluss“,
sagt er. Platz machen für einen Jüngeren, den Rest des Lebens noch genießen.
Die Spieler des FC Wangen schauen sich immer wieder an und lächeln dabei. Sie
wissen, dass es nur eine Ankündigung ist, mehr nicht. Der 79-Jährige ist dann
wieder einer der Ersten, der in der neuen Spielzeit vor Ort ist, als sei nichts
gewesen. Nach dem Motto „was interessiert mich das Geschwätz von gestern“ steht
er wieder mit einem Lächeln da, voller Tatendrang.
„Ich bin eigentlich zu alt für diesen Job. Die jungen
Spieler lassen mich aber nicht aufhören. Sie sind zu mir freundlich, haben
Respekt und freuen sich über meine Sprüche“, betont er. Vielleicht ist es aber
auch die Menschlichkeit, die Alois Weber ausstrahlt. Auch wenn er manchmal nach
einem schlechten Spiel des FC richtig schimpft und den Fußballern die Qualität
abspricht. Der Wutausbruch ist nie ernst gemeint. Es ist der Schmerz und das
Wehklagen eines Mannes, der alles für den Verein tut und dem das Herz blutet,
wenn sein FCW wieder mal aus eigenem Verschulden Punkte auf dem Rasen liegen
lässt.
Alois Weber ist in Eglofs geboren und schloss sich 1967 dem
FC Wangen an. Zunächst als Torwart und dann als linker Verteidiger. Seit 1979
ist er Betreuer der ersten Mannschaft und machte 1989 eine Ausbildung, um die
Spieler vor einer Partie fit zu machen. Medizinischer Sportbetreuer nennt sich
diese ehrenamtliche Aufgabe. Er belegte Kurse in Ulm und im Haus Waltersbühl in
Wangen. Alois Weber las Bücher des ehemaligen Bayernarztes Hans-Wilhelm
Müller-Wohlfahrt, der auch die deutsche Fußballnationalmannschaft betreute.
Gemeinsam mit Vlado Saric, Reinhard Müller und Marc
Kitzelmann kümmert er sich um die erste Mannschaft des FC Wangen. Während der
Trainerstab den Fokus auf das Sportliche hat, steht bei „Wiese“ und seinen
Kollegen das Drumherum im Vordergrund. Vor einem Auswärtsspiel Bälle einpacken,
Getränke und wenn es eine weite Reise ist, dann auch an das Essen denken. „Es
ist schade, dass wir aus der Verbandsliga abgestiegen sind, nicht nur
sportlich, sondern auch menschlich“, sagt der 79-Jährige. In der höchsten Liga
in Württemberg kannte „Wiese“ fast jeden Betreuer der anderen Mannschaften über
Jahre. Man schätzte sich, plauderte vor und nach dem Spiel, war ein gern
gesehener Gast.
Auf die Frage, wie er es schafft, mit fast 80 Jahren immer
noch jung auszusehen, antwortet er: „Einmal in der Woche volltanken, dass die
Giftstoffe wieder hinausfließen können.“ Das Gesellige ist das eine, die Arbeit
mit der Mannschaft aber das andere. Wichtig ist für ihn auch seine Beziehung zu
Simon Wetzel, Kapitän des FC Wangen. „So lange er in Wangen spielt, bin ich
weiter dabei“, betont er, weil Wetzel für ihn fast wie ein Sohn ist. In all den
Jahren hat Alois Weber vieles erlebt, manches war traurig, wie im normalen
Leben, einiges aber lustig. Die Mannschaft fährt mit dem großen Bus, wenn es
etwa 200 Kilometer zum Spielort sind, sonst wird die Reise in drei Kleinbussen
angetreten. Einmal fuhr der Kleinbus mit dem Essen in die falsche Richtung, das
war nur lustig für die Spieler, die drinsaßen, nicht für die anderen. Bei
seinem 70. Geburtstag hatte die Mannschaft für ihn eine besondere Überraschung
geplant. Nach dem desolaten Auftritt des Teams beim 1:9 in Bissingen war die
Feierlaune dahin, das Fest wurde kurzerhand abgesagt. Wer will nach so einer
Schmach noch feiern.
Nicht vergessen hat Alois Weber das letzte Spiel in der
Verbandsliga-Saison2021/22 gegen Pfullingen. Der FC Wangen führte nach starker
erster Halbzeit mit 4:0 hatte alles in Griff, auch den Klassenerhalt geschafft,
aber dann kam das Unerklärliche. Pfullingen wurde das 1:4 geschenkt und am Ende
hieß es 4:4. In der Relegation machte der FCW dann alles klar. Es hätte aber
nicht so weit kommen müssen. „Solche Spiele ärgern mich noch tagelang. Wenn
eine Mannschaft eine Partie klar dominiert, dann sollte das über 90 Minuten
gehen und nicht nur eine Halbzeit lang“, sagt er.
Nach solchen Spielen reift bei „Wiese“ die Entscheidung
aufzuhören, Platz zu machen für einen Jüngeren. Solche „Faustschläge“ gab es
immer wieder beim FC Wangen. Der 79-Jährige erholte sich, wie ein
angeschlagener Boxer, immer davon und ist wieder einer der ersten, der zur
neuen Saison wieder auf dem Platz steht. Für sein ehrenamtliches Engagement
wurde er 2009 vom DFB geehrt. Darauf ist er stolz, wie auch auf seine Mannschaft,
wenn sie, frei nach dem verstorbenen Franz Backenbauer, raus geht und einfach Fußball
spielt.